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Kreis-Anzeiger Interview mit Stefan Söhnholz

NIDDA - Dem Jugendfußball in der Großgemeinde Nidda wieder Attraktivität verleihen und mit einer Perspektive versehen - mit diesem Ziel ging die JSG Nidda, ein Konglomerat aus neun Stammvereinen, im Jahr 2016 an den Start. "Wir sind auf einem vernünftigen Weg", befindet Vorstandsmitglied Stefan Söhnholz, der mit seinen Mitstreitern sogar Ideen einer eigenständigen Jugendarbeit ausgearbeitet hat. Eines jedenfalls ist klar: Bei der JSG Nidda soll nicht nur ein bisschen gekickt, sondern ein Rahmen für eine gut funktionierende Jugendarbeit entwickelt werden.

 

Wie ist die grundsätzliche Herangehensweise? Leistungsorientierung und Attraktivität - das sind zwei wesentliche Schlagworte für die Philosophie der JSG. Ersteres wird allein anhand der Qualifikation der zuständigen Übungsleiter deutlich. "Wir haben in fast jeder Jugend lizenzierte Trainer", sagt Söhnholz, der selbst trainiert und als einer von zwei JSG-Coaches über die B-Lizenz verfügt, ein dritter Trainer rückt demnächst auf diese Lizenzstufe nach. Derlei Weiterbildungskosten werden von den Stammvereinen bezahlt, zudem gibt es halbjährlich einen Fahrtkostenzuschuss. "Das kann man aber nicht einmal als Aufwandsentschädigung bezeichnen", sagt Söhnholz. Qualifizierte Übungsleiter sind für das Konzept einer leistungsgerechten Arbeit zweifelsfrei unerlässlich.

 

"Wir müssen es schaffen", sagt Söhnholz, "den Breitenfußball mitzunehmen, aber ab einer gewissen Altersklasse auch eine Mannschaft für ambitionierte Spieler zu haben." Soll heißen: Sowohl den schwächeren als auch den stärkeren Spielern soll eine Plattform für ihre Leistungsstärke geboten werden. Die Idealvorstellung sieht mindestens eine leistungsorientierte Mannschaft pro Altersstufe vor. Ausdrücklich untermauert Söhnholz die Bedeutsamkeit derer, bei denen es sportlich nicht für diese Ebene genügt: "Das sind tolle Charaktere, die wir nicht verlieren dürfen. Sie sind später dann wichtig als Reservespieler, Schiedsrichter oder Vorstände."

 

Damit überhaupt pro Jahrgang mindestens zwei Teams möglich sind, ist ein gewisser Zulauf junger Fußballer notwendig. Und damit eben eine bestimmte Attraktivität. Dreh- und Angelpunkt ist ein abwechslungsreiches, leistungsgerechtes Training. Aber dabei allein soll es nicht bleiben: "Wir versuchen, uns mit einem stimmigen Rahmenprogramm smart zu präsentieren", formuliert Söhnholz. Dazu gehören mehrtägige Ausflüge mit den Mannschaften zu hochkarätig besetzten Turnieren, Aktionen außerhalb des Rasens oder Events wie der Ußner Cup. "Danach haben wir immer Anfragen von Kindern, die bei uns anfangen oder zu uns wechseln wollen", erzählt Söhnholz. Insgesamt habe man es mit diesem Gesamtpaket geschafft, viele Kinder wieder zum Fußball zu bewegen.

 

Welche Probleme gibt es? Der Zulauf an Kindern führt zu einem entsprechenden Bedarf an Trainern. Die sich nur schwer finden lassen. "Bei der Frage, wie wir Trainer gewinnen, stoßen wir an Grenzen", gesteht Söhnholz. Die JSG-Verantwortlichen haben deshalb bereits einen Blick auf andere Sportarten wie Handball oder Basketball geworfen. Daraus resultierte die Überlegung, ein oder zwei Übungsleiter fest an sich zu binden und zu bezahlen, so dass diese unter der Woche mehrere Mannschaften trainieren und für etwaige Terminüberschneidungen am Wochenende entsprechende Betreuer zur Seite gestellt bekommen. Das allerdings setzt - noch nicht vorhandene - finanzielle Ressourcen voraus. "Dafür", so Söhnholz, "müssten die Mitgliedsbeiträge für Jugendliche in den Vereinen erhöht werden. Wenn wir die Qualität anheben wollen, müssen wir diesen Schritt irgendwann gehen."

 

Ebenfalls eine Erschwernis: Die Rechtslage im Rahmen der Bildung einer Jugendspielgemeinschaft, die vor jeder Saison neu zu beantragen ist. Wer nämlich (zu) viele Spieler hat, darf gar keine JSG mehr bilden. Ein Beispiel: "Wenn Viktoria Nidda 14 C-Jugendliche hat, dürften die eigentlich gar nicht mehr in eine JSG. Da stoßen wir seit zwei Jahren permanent an die Grenze." Dass die JSG gleich drei C-Jugenden ins Rennen schicken darf, fußt bereits auf einer Sondergenehmigung. Aber: "Die JSG Nidda soll etwas Dauerhaftes sein. Das könnten wir den Kindern und Jugendlichen auch gar nichts anders verkaufen."

 

Wie sieht die strukturelle Zukunftsvision aus? Nicht nur, aber auch aufgrund dieser Problematik wird darüber nachgedacht, die Jugendarbeit von den Stammvereinen abzuspalten und als selbstständiges Konstrukt - beispielsweise als Jugendfußballclub Nidda - aufzustellen. Weitere Gründe dafür: Derzeit muss die JSG alle Einnahmen mangels eigener Kasse über einen Stammverein abrechnen. Und Sponsoren, die sich gänzlich vom Seniorenfußball losgelöst haben, wären in dieser Konstellation besser zu gewinnen. Der Vorgang ist jedoch keinesfalls eine Revolte gegen die Stammvereine, sondern geschieht in enger Abstimmung mit diesen.

 

Konkrete Ideen gab es bereits: Da der im Seniorenbereich mittlerweile inaktive KTSV Borsdorf/Harb vor der Auflösung stand, wurde überlegt, dessen Strukturen und Sportgelände mittels Satzungsänderung für den neuen Jugendverein zu nutzen. Aber: "Das Sportheim ist sehr marode, da müsste richtig Geld in die Hand genommen werden", so Söhnholz. Mittlerweile liegt die Thematik bei den Stammvereinen. "Wir probieren, Ideen zu sammeln, wie wir das hinbekommen können." Doch die Lage ist vertrackt. "Da sind wahnsinnig viele Sachen zu berücksichtigen." Ein Beispiel: Ein Gruppenligist - wie Viktoria Nidda - benötigt mindestens eine Jugendmannschaft, sonst drohen Punktabzüge und Geldstrafen. Nicht zu vergessen: Die Ablösesummen im Seniorenbereich erhöhen sich für die Stammvereine um 50 Prozent, insofern keine Mannschaften in der C- bis A-Jugend vorhanden sind - das gilt auch für Kreisligisten. "Da werden also viele Steine in den Weg gelegt. Aber der Hessische Fußball-Verband war uns gegenüber sehr offen und findet die Idee gut", so Söhnholz.

 

Welche sportlichen Ambitionen bestehen? Talentierte Spieler sollen in der Großgemeinde Nidda vor Ort ein ihrem Niveau angemessenes Angebot vorfinden. "Es soll keiner bis nach Oberau fahren müssen, um Gruppenliga zu spielen, das müssten wir auch in Nidda hinbekommen. Diesen Gegenpol müssen wir füllen", sagt Söhnholz. "Wenn du Spieler halten willst, die richtig kicken können, muss man ab der C-Jugend mit allen Jahrgängen in die Gruppenliga." Die C1 der JSG ist bereits in eben dieser Liga, hat aus den ersten vier Spielen vor der Saisonunterbrechung starke zehn Punkte eingefahren. Die B- und A-Jugend, die jeweils als JSG Nidda/Schotten an den Start gehen, befinden sich hingegen beide noch in der Kreisliga A. Immerhin: Die B-Jugend ist derzeit Zweiter, die mittlerweile im Kreis Gelnhausen spielende A-Jugend derzeit sogar Tabellenführer.

 

Große Hoffnungen sind mit der aktuellen C-Jugend verknüpft. Die aus dem älteren Jahrgang (2006) bestehende C1 rückt zur nächsten Saison eine Altersklasse auf. Der derzeitigen C2, bestückt mit dem jüngeren Jahrgang (2007) sowie DFB-Stützpunktspielern des Jahrgangs 2008, wird zugetraut, das Gruppenliga-Erbe fortzuführen. "Vielleicht kann sich daraus ein Selbstläufer entwickeln, so dass wir auch attraktiv werden für Spieler aus der Umgebung", hofft Söhnholz. "Wir wollen etwas darstellen, wo Spieler die Möglichkeit haben, ambitioniert zu spielen - als Zwischenschritt zwischen einem normalen Verein und einer Adresse wie der TSG Wieseck." Ambitionen, die mutig daherkommen, dem zuvor nur noch vor sich hin dümpelnden Jugendfußball der Region aber nur guttun können.

 

Quelle: Kreis-Anzeiger vom 31.01.2021